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Ersatzansprüche wegen Beschädigung eines Gebäudes durch Baumaßnahmen auf dem Nachbargrundstück

Das Kammergericht Berlin hat sich in seinem Urteil vom 18.10.2012 – 22 U 226/09 – eingehend und instruktiv mit den Ansprüchen eines geschädigten Grundstückseigentümers sowohl gegenüber dem Nachbarn (Bauherren) als auch gegenüber den ausführenden Unternehmen und beteiligten Architekten/Ingenieuren auseinandergesetzt mit folgenden Ergebnissen:

Gestützt auf die ständige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) scheidet eine verschuldensabhängige Haftung des Grundstücksnachbarn (Bauherrn) aus, wenn dieser sorgfältig ausgewählte und fachkundige Bauunternehmen, Architekten und Ingenieure mit der Lösung der anfallenden bautechnischen Aufgaben und deren sachgemäßen Durchführung beauftragt. Dabei obliegt die Darlegungs- und Beweislast für die Verletzung dieser Auswahlkriterien bei dem geschädigten Grundstücksnachbarn.

Eine Haftung des Bauherren für verschuldete Planungs- und/oder Ausführungsfehler des von ihm beauftragten Bauunternehmens bzw. Architekten/Ingenieurs gem. §§ 823, 831 BGB scheidet aus, weil diese nicht Verrichtungsgehilfen des Bauherren sind.

Dem geschädigten Grundstücksnachbarn steht aber gegen den Bauherren ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2, S. 2 BGB auf eine Geldentschädigung zu, wenn sein Gebäude in Folge der durch Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück ausgelösten Bodenerschütterungen beschädigt worden ist.

Dieser nachbarrechtliche Entschädigungsanspruch ist gegeben, wenn von einem Nachbargrundstück im Rahmen seiner Nutzung Einwirkungen auf das betroffene Grundstück ausgehen, die das zumutbare Maß einer entschädigungslos hinzunehmenden Beeinträchtigung übersteigen, sofern der Geschädigte nicht in der Lage war, diese Einwirkungen gem. § 1004 Abs. 1 BGB rechtzeitig zu unterbinden. Dies ist bei einer nicht unerheblichen Substanzbeschädigung des Nachbargebäudes durch zulässigerweise durchgeführte Baumaßnahmen regelmäßig der Fall.

Der Anspruch richtet sich bei einer Substanzschädigung auf vollen Schadensersatz und den Ausgleich der Folgen, die sich aus der Beeinträchtigung der Nutzung des betroffenen Grundstücks entwickeln.

Der mit den Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück beauftragte Generalunternehmer hatte zur Ausführung der schadensursächlichen Tiefbauarbeiten einen Subunternehmer beauftragt und die Genehmigungs- und Ausführungsplanung der Arbeiten, u. a. über die Baugrubensicherung, den Grenzverbau und die Unter- bzw. Abfangungen und Gründungsmaßnahmen an ein Ingenieurbüro vergeben.

Auch insoweit stellt das Kammergericht den Generalunternehmer von einer deliktischen Haftung gem. § 823 Abs. 1 BGB frei, da nicht erwiesen war, dass ihm ein Auswahlverschulden bezüglich des Subunternehmens und des Ingenieurbüros zur Last zu legen war.

Eine Haftung des Generalunternehmers gem. den §§ 823, 831 BGB hat das Kammergericht mit der Begründung abgelehnt, dass weder das Subunternehmen noch das Ingenieurbüro insoweit Verrichtungsgehilfen gewesen seien.

Gleichwohl hat das Kammergericht den Generalunternehmer letztlich in die Haftung genommen, und zwar unter dem Gesichtspunkt des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte. Dem Geschädigten wurde gegen den Generalunternehmer ein Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung von Sorgfaltspflichten aus dem zwischen ihm und dem Bauherren geschlossenen Generalunternehmervertrag zugesprochen, der in Bezug auf den Geschädigten als Vertrag mit Schutzwirkung zu Gunsten Dritter anzusehen ist. Ein solcher liegt in der Regel vor, wenn der Dritte (hier der Geschädigte) bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung in Berührung kommt, die Ausführung der Leistung sich also auf ihn auswirken kann, und auch der Bauherr ein Interesse daran hat, seinen Nachbarn in den Schutzbereich miteinzubeziehen. Der geschädigte Nachbar wiederum gilt als schutzbedürftig, da er keinen eigenen vertraglichen Anspruch gegen die auf dem Nachbargrundstück tätigen Unternehmen hat; etwaige deliktische Ansprüche stehen dem nicht entgegen.

Die (eigene) Pflichtverletzung des Generalunternehmers ergibt sich in dieser Konstellation daraus, dass er sich die schadensursächlichen Pflichtverletzungen des Subunternehmens und des von ihm beauftragten Ingenieurbüros gem. § 278 BGB zurechnen lassen muss.

Das Kammergericht kommt dann noch zu dem Ergebnis, dass der Bauherr und der Generalunternehmer dem geschädigten Nachbarn als Gesamtschuldner haften. Dies gilt ungeachtet dessen, dass eine Partei aufgrund einer schuldhaften Vertragsverletzung haftet und die andere verschuldensunabhängig wegen eines nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs, wenn beide Ansprüche auf den Ersatz des gleichen Schadens gerichtet sind. Bei einem Schadensersatzanspruch der auf die Kompensation einer Substanzbeschädigung gerichtet ist, ist dies regelmäßig der Fall.

Deliktische Ansprüche gegen das tätige Subunternehmen und das beauftragte Ingenieurbüro, die unmittelbar für die Verursachung des Schadens verantwortlich waren, hat das Kammergericht nicht geprüft, da diese nicht Gegenstand des Rechtsstreits waren. Solche wären indessen nach § 823 Abs. 1 BGB gegeben gewesen.

Die Entscheidung hat insbesondere für solche Fälle Bedeutung, in denen die unmittelbaren Verursacher des Schadens – aus welchen Gründen auch immer – nicht in Anspruch genommen werden können.

Unser Praxistipp

Bei Schadensereignissen an Gebäuden, die durch Baumaßnahmen auf Nachbargrundstücken verursacht sein könnten, ist stets sorgfältig zu prüfen, gegen wen etwaige Schadensersatzansprüche gerichtet werden können.

Werner Dupuis, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht