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Versorgungsleitungen: Die Ausschreibungspflicht des Auftraggebers im Spannungsverhältnis zur Nachforschungspflicht des Auftragnehmers

Zuletzt hat das Oberlandesgericht Hamm mit Urteil vom 21.03.2006 festgestellt, dass der Vorbehalt eines Subunternehmers in einem Vertragsangebot, in dem er eine eigene Nachforschungspflicht zu Versorgungsleitungen ausschließen will, jedenfalls dann nicht Vertragsbestandteil wird, wenn er anschließend die Auftragsbestätigung des Hauptunternehmers widerspruchslos annimmt, in der wieder allein auf die Ausschreibungsunterlagen verwiesen wird, so dass diese Vertragsinhalt werden und sich in diesem eine Nachforschungspflicht des Auftragnehmers ergibt.

Dies gilt insbesondere dann, wenn sich in den Ausschreibungsunterlagen der übliche Passus befindet: „Es ist Sache des Auftragnehmers, sich vor Beginn der Bauarbeiten rechtzeitig mit dem innerhalb des Baubereichs zuständigen Versorgungsträger in Verbindung zu setzen, um die Lage vorhandener Versorgungsleitungen zu erfahren.“

In einem solchen Fall greift der im Vertragsangebot des Subunternehmers enthaltene Ausschluss nicht. Insbesondere kann sich der Auftragnehmer dann, wenn bei Dritten ein Schaden eintritt, weil er sich nicht nach querenden Versorgungsleitungen erkundigt hat, nicht auf § 3 Nr. 1 VOB/B berufen. Die Vorschrift des § 3 Nr. 1 VOB/B, wonach der Auftraggeber dem Auftragnehmer die für die Ausführung nötigen Unterlagen unentgeltlich und rechtzeitig zu übergeben hat, ist unabhängig davon, dass sie durch den Inhalt der Baubeschreibung hinsichtlich der Versorgungsleitungen in dem vorbezeichneten Fall wirksam abbedungen war, nicht einschlägig. Denn diese Vorschrift soll lediglich die ordnungsgemäße und mangelfreie Herstellung des Werkes, nicht aber den Schutz des Eigentums von dritten Personen gewährleisten.

Auch soweit der Auftraggeber nach DIN 18299 Ziff. 0.1.13, 0.1.14 und 0.1.16 die Pflicht hatte, in der Leistungsbeschreibung Versorgungsleitungen und Kabel sowie besondere Anordnungen und Maßnahmen der Eigentümer anzugeben, ist diese Pflicht durch die Anweisung in der Baubeschreibung wirksam abbedungen worden. Die Nachforschungspflicht wurde erfolgreich auf den Subunternehmer abgewälzt.

Unser Praxistipp

Ob im Tiefbau oder im Hochbau hat der Subunternehmer sorgfältig die Ausschreibungsunterlagen dahingehend zu überprüfen, welche Verpflichtungen der unmittelbare Auftraggeber seinerseits gegenüber dem Hauptauftraggeber übernommen hat. Dies gilt umso mehr, als der Subunternehmer sich in der Regel nicht darauf berufen kann, dass er in seinem Vertragsangebot eigene Nachforschungspflichten oder ähnliche Leistungen ausgeschlossen habe.

Es ist daher im Einzelfall vor Unterzeichnung die Vertragslage zu prüfen, und insbesondere sind, soweit entsprechende Verpflichtungen ausgeschlossen sein sollen, gesondert Vereinbarungen mit dem Auftraggeber zu treffen, die etwa widersprechenden Ausschreibungsunterlagen klar vorgehen sollen, wenn entsprechende Pflichten aus dem Bereich des (Haupt-)Auftragnehmers vom Subunternehmer nicht übernommen werden sollen.

Rechtsanwalt Michael Brückner