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Einstweilige Verfügung auf Übergabe der Wohnung

In einem Eilverfahren hatte sich das Kammergericht Berlin (Urteil v. 4.10.2017 – 21 U 79/17) mit der Frage zu befassen, unter welchen Voraussetzungen der Erwerber einer Eigentumswohnung die Übergabe der bezugsfertigen Wohnung samt aller zugehörigen Schlüssel verlangen kann. Das Begehren war also nicht lediglich auf die Sicherung eines Rechtszustandes gerichtet, sondern auf die Vornahme einer Handlung. Eine solche Regelungsverfügung, die die Hauptsache vorweg nehmen kann, ist jedoch nur ausnahmsweise und zur Abwendung wesentlicher Nachteile zulässig.

Das KG hat die vom Erwerber beantragte einstweilige Verfügung auf Besitzeinräumung der Eigentumswohnung erlassen und den Bauträger zur Übergabe verurteilt. In dem Fall schuldete der Erwerber die 2. Rate Zug um Zug gegen Besitzübergabe und die letzte Rate bei vollständiger Fertigstellung. Die Abnahme erfolgte unter Vorbehalt zahlreicher Mängel, wobei sich der Bauträger mehrere Monate in Verzug befand. Der Erwerber hatte von der 2. Rate erhebliche Abzüge vorgenommen und diese mit Baumängeln und Verzugsschäden begründet.

Die Besonderheit in einem einstweiligen Verfügungsverfahren besteht u.a. darin, dass die Beweisführung nur eingeschränkt möglich ist und die vollständige Aufklärung des Sachverhalts idR nur in einem anschließenden Hauptsacheverfahren erfolgen kann. Im vorliegenden Fall hat das Gericht zu Recht eine Bewertung der mangelhaften Bauleistungen nicht vorgenommen und die diesbezüglich vorgenommenen Abzüge des Erwerbers nicht gelten lassen. Die Besonderheit in diesem Fall lag darin, dass teilweise Ersatzvornahmekosten und insbesondere die Verzugsschäden unstreitig waren. So konnte das Gericht den noch offenen Kaufpreis zweifelsfrei ermitteln und mit der Maßgabe tenorieren, dass die Übergabe der Wohnung Zug um Zug gegen Zahlung des geschuldeten Restkaufpreises zu erfolgen hat.

Unser Praxistipp

Soweit ersichtlich handelt es sich erstmals um eine obergerichtliche Entscheidung zur Übergabe der Wohnung im vorläufigen Rechtsschutz. Die Entscheidung weist sicherlich Besonderheiten eines bestimmten Einzelfalls auf und dürfte keine neue Entwicklung in der Rechtsprechung begründen. Dies liegt schon daran, dass offensichtlich viele Schadenspositionen des Erwerbers schlicht unstreitig waren – in Bauprozessen eher untypisch. Auf der anderen Seite wird jedoch dem Bauträger deutlich vor Augen geführt, dass eine unberechtigte Verweigerung der – oftmals dringend benötigten – Wohnung rechtliche Konsequenzen haben kann und diesem in der Praxis oftmals eingesetzten Druckmittel Grenzen gesetzt sind.

Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht