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Vertragsauslegung bestimmt die geschuldeten Bauleistung

Bei der Abwicklung von Bauvorhaben kommt häufig Streit darüber auf, ob eine bestimmte Leistung Gegenstand des ursprünglich erteilten Auftrags ist oder eine nachträglich notwendig gewordene Zusatzleistung darstellt. Dies insbesondere dann, wenn das Leistungsverzeichnis (LV) unvollständig und/oder unklar verfasst ist. Gerade dann, wenn ein solches lückenhaftes bzw. missverständliches LV vom Auftraggeber aufgestellt worden ist, werden vom Auftragnehmer für nicht ausdrücklich erwähnte aber notwendige Leistungen Nachträge gestellt und hierfür eine zusätzliche Vergütung verlangt.

In einem konkreten Fall sah das vom Auftraggeber aufgestellte LV mehrere Bau-Lose vor, in denen zunächst die notwendigen Materialien und am Ende eine Position für die notwendigen Montageleistungen aufgeführt waren. (Nur) bei einem Los fehlte diese Montageposition, was den Beteiligten schließlich erst bei der Abrechnung des Bauvorhabens auffiel. Die von dem Unternehmer abgerechnete Montageposition wurde von dem Auftraggeber als Mehrvergütung nicht anerkannt mit der Begründung, dass selbstverständlich die Montage der in diesem Bau-Los aufgeführten Gegenstände Vertragsbestandteil gewesen sei, und dass das Fehlen dieser Position dem Unternehmen bei sorgfältiger Prüfung im Übrigen hätte auffallen und von ihm beanstandet werden müssen.

Gestützt auf eine Entscheidung des OLG Koblenz aus dem Jahre 2001, die auch von der einschlägigen Literatur aufgegriffen worden ist, hat der Unternehmer eingewandt, dass im Falle des Beanstandens und Erkennens der Unvollständigkeit des Leistungsverzeichnisses dieses durch den Auftraggeber hätte ergänzt und entsprechend bepreist werden müssen mit der Folge, dass diese ursprünglich nicht erwähnte Leistung dann im Rahmen des Hauptauftrages zu vergüten gewesen wäre. Der entsprechende Aufwand wäre unter dem Gesichtspunkt der «Sowieso-Kosten» zu vergüten gewesen.

Dieser Rechtsauffassung hat der für Bausachen zuständige VII. Zivilsenat des BGH in einer jüngst veröffentlichte Entscheidung eine Absage erteilt mit dem lapidaren Hinweis, dass dies mit der Rechtsprechung des Senats nicht vereinbar sei. Danach werde die geschuldete Leistung ausschließlich durch Auslegung des Vertrages ermittelt. Ergebe diese, dass die Leistung, für die eine Mehrvergütung verlangt werde, bereits Gegenstand des ursprünglichen Vertrages war, sei ein Mehrvergütungsanspruch unbegründet.

Unser Praxistipp

Der BGH bürdet mit dieser Entscheidung dem Auftragnehmer das Risiko unklarer und/oder unvollständiger Leistungsverzeichnisse auf, und zwar auch für den Fall, dass dieses vom Auftraggeber aufgestellt worden ist. Dem Unternehmer ist daher dringend anzuraten, Leistungsverzeichnisse speziell auch daraufhin zu überprüfen, ob die darin ausgeschriebenen Leistungen auch tatsächlich ausreichen, um den Vertragsgegenstand sach- und fachgerecht und vollständig herzustellen. Etwaige Unklarheiten sollten unbedingt mit dem Auftraggeber geklärt werden.

Rechtsanwalt Werner Dupuis, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht