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Widerruf des Verbrauchers – EuGH

Allgemein gibt es eine Reihe von Vertragsabschlüssen, die ein Verbraucher nach allgemeinen und nach speziellen Vorschriften widerrufen kann, sofern er von dem Unternehmer nicht ordnungsgemäß über das Widerrufsrecht und dessen Folgen informiert wurde.

Das allgemeine Widerrufsrecht ist in § 312 g BGB geregelt für außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen und in § 312 c BGB bei Fernabsatzverträgen. Zu Verträgen dieser Art können auch ganz allgemein Werkverträge und Bauverträge gerechnet werden. Bei Bauverträgen kommt es nicht selten vor, dass diese nicht in den Geschäftsräumen des Unternehmers geschlossen werden, sondern auf der Baustelle.

Seit 2018 sieht § 650 i BGB zudem ein Widerrufsrecht bei einem sog. Verbraucherbauvertrag vor. Verbraucherbauverträge sind Verträge, durch die der Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird. Gem. § 13 BGB ist Verbraucher jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen Tätigkeit zugerechnet werden können.

Sehr kontrovers diskutiert wurde die Frage, ob dieses Widerrufsrecht dem Verbraucher auch dann noch zustehen kann, wenn der Unternehmer seine Vertragspflichten vollständig erfüllt hat und der Verbraucher damit bereits einen Vermögenszuwachs erhalten hat.

Der EuGH – Urt. v. 17.05.2023, Rechtssache C-97/22 | DC – hat sich jetzt für den Verbraucher entschieden und so die Rechte des Verbrauchers deutlich gestärkt. In dieser Entscheidung hatten die Parteien keinen Verbraucherbauvertrag, sondern einen ganz normalen Werkvertrag über die Erbringung von Elektroleistungen abgeschlossen. Der Unternehmer ging trotz vollständiger Leistungserbringung leer aus und bekam den vereinbarten Werklohn nicht zugesprochen. Auch für einen Anspruch auf Wertersatz bestehe keine Grundlage.

Diese Frage hatte das LG Essen dem EuGH vorgelegt mit der Frage, ob Art. 14 Abs. 5 der Verbraucherschutzrichtlinie (RL 2011/83) so auszulegen sei, dass der Verbraucher, der nach Vertragserfüllung widerruft, tatsächlich nichts bezahlen muss, wenn ihn das Unternehmen nicht belehrt hat. Angesichts eines effektiven Verbraucherschutzes könne es keinen Unterschied machen, ob der Widerruf vor oder nach Erbringung der Leistungen erfolgt. Der Elektriker, der seine Leistungen erbracht hatte, erhielt daher weder den Werklohn noch Wertersatz, urteilten die Richter aus Luxemburg.

Unser Praxistipp

Angesichts dieser eindeutigen Entscheidung und Wertung des EuGH sollten Unternehmer und Bauhandwerker vor jedem Vertragsschluss mit privaten Bauherrn prüfen, ob dieser „außerhalb von Geschäftsräumen“ oder als „Fernabsatz“ erfolgt. Dann muss er den Verbraucher sorgfältig (und richtig !) über das Widerrufsrecht und dessen Folgen aufklären. Wenn ein Verbraucherbauvertrag vorliegt, muss er dies ohnehin. Die Gefahr für den Unternehmer leer auszugehen, ist größer denn je.

Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht