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Verbraucherbauvertrag auch bei Einzelvergabe?

Mit der Einführung des neuen Bauvertragsrechts zum 01.01.2018 hat der Gesetzgeber den Verbraucherbauvertrag eingeführt und definiert. Nach § 650 i BGB sind dies Bauverträge, durch die ein Unternehmer von einem Verbraucher zum Bau eines neuen Gebäudes oder zu erheblichen Umbaumaßnahmen an einem bestehenden Gebäude verpflichtet wird.

Die Einordnung eines Bauvertrages als Verbraucherbauvertrag ist u.a. dann von entscheidender Bedeutung, wenn der Verbraucher den Vertrag widerrufen möchte. So ein Widerrufsrecht steht dem Verbraucher bei Einordnung als Verbraucherbauvertrag stets gem. § 650 l BGB zu, ansonsten nur nach den allgemeinen Bestimmungen gem. § 650 a BGB iVm §§ 312 ff. BGB zu.

Damit stellt sich die Frage, wie die Tatbestandsmerkmale „neues Gebäude“ und „erhebliche Umbaumaßnahmen“ auszulegen sind, wann also von einem Verbraucherbauvertrag gesprochen werden kann. Soweit ersichtlich, sind bislang zwei divergierende obergerichtliche Entscheidungen ergangen. So vertritt das Kammergericht Berlin (Urt. v. 16.11.2021 – 21 U 41/21) die Auffassung, dass § 650 i BGB eng auszulegen sei. So müsse der Werklohn vom Volumen her die Größenordnung eines Neubaus erreichen. Auch muss der Unternehmer grundsätzlich mit sämtlichen Gewerken beauftragt werden.

Anders das OLG Hamm (Urt.v. 24.04.2021 – 24 U 198/20). Der Senat hält auch die Einordnung als Verbraucherbauvertrag für gesetzeskonform, wenn der Verbraucher bei einem Neubau die Gewerke in Einzelvergabe durchführen lässt. Es müsse lediglich ein zeitlicher und auch erkennbarer Zusammenhang mit einem Neubau bestehen.

Man wird angesichts der unterschiedlichen Entscheidungen auf eine Entscheidung des BGH gespannt sein. Angesichts des Bezugs zur europäischen Verbraucherrichtlinie ist auch mit einer Vorlage an den EuGH zu rechnen.

Unser Praxistipp

Sehen Sie stets die Verträge durch, ob eine wirksame Widerrufsbelehrung vorliegt, ob es sich um einen Neubau handelt, ob ein Generalunternehmer tätig ist oder Gewerke in Einzelvergabe durchgeführt werden. Auch das Verhältnis der Baukosten zu den Gesamtkosten kann ein Indiz und Argument im Zusammenhang mit § 650 i BGB sein. Je geringer das Auftragsvolumen und je mehr Gewerke beteiligt sind, je eher wird man nicht von einem Verbraucherbauvertrag ausgehen können, der von Seiten des Verbrauchers widerrufen werden könnte.

Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht