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Fehlende Baugenehmigung beim Kauf einer Immobilie ist als Sachmangel anzusehen

In der anwaltlichen Praxis kommen sie immer wieder vor: Fälle, in denen der Erwerber einer Immobilie nach Bezug des gebraucht erworbenen Hauses von der Bauaufsichtsbehörde erfährt, dass der von ihm beim Verkauf als Aufenthalts- und Barraum besichtigte Gebäudeteil oder die seit Jahren als Wohnung genutzte Mansarde baurechtlich lediglich als Abstellraum genehmigt worden ist und ihm die weitergehende Nutzung als Wohnraum durch die Bauaufsichtsbehörde untersagt wird.

Beim Blick in den Kaufvertrag findet der Erwerber häufig eine Regelung, in der es heißt, dass die Haftung des Verkäufers für Sachmängel ausgeschlossen ist.

Spätestens an dieser Stelle wird guter Rat notwendig. Sind dem Erwerber aufgrund des Gewährleistungsausschlusses tatsächlich sämtliche Rechtsbehelfe genommen?

Der BGH hat nunmehr mit Urteil vom 12.04.2013 – V ZR 266/11 – (= NJW 2013, 2182 ff.) entschieden, dass auch eine fehlende Baugenehmigung regelmäßig einen Sachmangel einer veräußerten Immobilie (hier: Wohnungseigentum) darstellt. Ist die Haftung des Veräußerers für Sachmängel im Vertrag ausgeschlossen, so ist dem Verkäufer die Berufung auf den vereinbarten Haftungsausschluss nach § 444 BGB nur dann versagt, wenn er den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat. Als Begründung wird angeführt, dass die Baubehörde die Nutzung der Wohnung jedenfalls solange untersagen kann, bis die erforderliche Genehmigung erteilt worden ist, unabhängig von der Frage, ob eine solche Genehmigung unter Zulassung einer Ausnahme hätte erteilt werden können – das Vorhaben als solches also genehmigungsfähig und damit materiell rechtmäßig wäre. Der Sachmangel besteht – so der BGH – bereits darin, dass es an der baurechtlich gesicherten Befugnis fehlt, das Objekt für den vertraglich vorausgesetzten Zweck nutzen zu dürfen. Dabei ist die Frage, ob bauliche Veränderungen überhaupt genehmigungsbedürftig sind, durch die Zivilgerichte als Vorfrage der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache zu beantworten (so auch BGHZ 114, 260 (261) = NJW 1991, 2138).

Ein Sachmangel scheidet allerdings dann aus, wenn die Kaufsache Bestandschutz genießt, mithin die nach dem Kaufvertrag vorausgesetzte Nutzung aufgrund einer vorangegangenen behördlichen Entscheidung keine öffentlich-rechtlichen Hindernisse entgegenstehen.

Im Hinblick auf das Erfordernis der Arglist stellt der BGH heraus, dass dem Käufer eine Kenntnis des Mangels und zumindest ein Eventualvorsatz zur Last gelegt werden muss, leichtfertige oder grob fahrlässige Unkenntnis reiche dagegen nicht aus. Arglistiges Verschweigen sei gegeben, wenn der Käufer den Mangel kennt oder ihn zumindest für möglich hält und zugleich weiß oder doch damit rechnet und billigend in Kauf nimmt, dass der Käufer den Mangel nicht kennt und bei Offenbarung des Mangels den Vertrag nicht oder nicht mit dem vereinbarten Inhalt abgeschlossen hätte.

Praxistipp

Das Fehlen einer Baugenehmigung wird vom BGH als Sachmangel der veräußerten Immobilie eingestuft und dem ggfls. vorhandenen vertraglichen Haftungsausschluss unterworfen. Dem Käufer bleibt der Weg, den Nachweis zu führen, dass der Verkäufer den Mangel gekannt hat, oder es zumindest für möglich gehalten hat, dass der Mangel vorliegt und im Zusammenhang damit weiß, oder damit rechnet, dass der Käufer bei Kenntnis den Vertrag nicht oder nicht zu diesem Preis geschlossen hätte.

Gelingt dies, so stehen dem Käufer sämtliche Rechtsbehelfe des Kaufvertragsrechts zur Verfügung, er kann Nacherfüllung, Schadensersatz, Rücktritt oder Minderung des Kaufpreises geltend machen. Problemlos ist dies, wenn im Kaufvertrag ausdrücklich vereinbart ist, dass für den vorhandenen Gebäudebestand und die ausgeübte Nutzung eine Baugenehmigung vorliegt. Deshalb: Vor dem Abschluss des Kaufvertrages sachkundigen Rat einholen!

Dr. Josef Kames, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht