Artikel bewerten

Mängelbeseitigungsvorschuss vor Abnahme?

Der BGH hat mit Urteil vom 19.01.2017 klargestellt, dass der Besteller Mängelrechte nach § 634 BGB grundsätzlich erst nach Abnahme des Werks mit Erfolg geltend machen kann.

Gleichzeitig hat er in dieser Entscheidung ausgesprochen, dass der Besteller allerdings berechtigt sein kann, Mängelrechte nach § 634 Nr. 2-4 BGB schon vor der Abnahme geltend zu machen, wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen kann und das Vertragsverhältnis in ein Abrechnungsverhältnis übergegangen ist. Dies sei jedenfalls dann der Fall, wenn der Unternehmer sein Werk als fertiggestellt zur Abnahme anbiete und der Besteller nur noch Schadensersatz statt der Leistung in Form eines kleinen Schadensersatzes geltend macht oder die Minderung erklärt.

Diese Auffassung, die zuvor schon von zahlreichen Oberlandesgerichten vertreten worden ist, lässt allerdings Zweifel daran aufkommen, ob sich die erwähnte Ausnahme trotz der ausdrücklichen Erwähnung des § 634 Nr. 2 BGB tatsächlich auch auf das Selbstbeseitigungsrecht und den Mängelbeseitigungsvorschussanspruch gem. § 637 BGB bezieht. Denn der Anspruch auf Vorschusszahlung zur Selbst- oder Ersatzvornahme setzt gerade einen noch bestehenden Anspruch auf (Nach-)erfüllung voraus, so dass die Vorgabe des BGH: „wenn er nicht mehr die Erfüllung des Vertrages verlangen kann“ in dieser Konstellation nicht erfüllt ist. Auch führt die Geltendmachung eines Anspruchs auf Vorschusszahlung noch nicht zwingend und abschließend zu dem vom BGH weiter geforderten „Abrechnungsverhältnis“, da der Besteller durch die Geltendmachung eines Vorschussanspruchs seinen Anspruch auf Nacherfüllung nicht verliert.

Soweit ersichtlich haben bislang nur die Oberlandesgerichte Celle und Stuttgart die Geltendmachung eines Mängelbeseitigungsvorschusses vor Abnahme zugelassen und dies maßgeblich damit begründet, dass es sinnwidrig wäre, den Besteller zu einer Abnahme zu nötigen, um gerade diejenigen Mängel beseitigen zu können, wegen derer er die Abnahme verweigert hat.

Eine höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage wäre wünschenswert.

Unser Praxistipp

Bei der Geltendmachung eines Mängelbeseitigungsvorschussanspruchs vor Abnahme sollte vorsorglich der Anspruch hilfsweise als Schadensersatzanspruch verfolgt werden.

Rechtsanwalt Werner Dupuis, Bonn, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht