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Beim Gesamtschuldnerausgleich auch Verfahrens- und Sachverständigenkosten?

In der baurechtlichen Praxis werden häufig mehrere am Bau Beteiligte in Anspruch genommen. Oftmals sind mehrere Planer und/oder Unternehmer mitursächlich für einen Baumangel oder Schaden. Sie haften im Außenverhältnis oftmals als Gesamtschuldner. Wird ein Gesamtschuldner allein und klageweise in Anspruch genommen und befriedigt er den Schuldner, so geht die Forderung gem. § 426 Abs. 2 BGB auf ihn über. Sodann möchte er Innenregress bei den weiteren Gesamtschuldnern nehmen. Neben der eigentlichen Hauptforderung in Gestalt der Mangelbeseitigungskosten oder Schäden stellt sich die Frage, inwieweit auch Kosten der Rechtsverfolgung des Vorprozesses von einem anderen Gesamtschuldner zu erstatten sind.

Als Anspruchsgrundlage kommt Verzug in Betracht. Allerdings sind die Fälle selten, in denen ein Gesamtschuldner einem anderen Gesamtschuldner verzugsbegründend eine Frist setzt, die zeitlich vor Entstehung der Rechtsverfolgungskosten liegen müsste. Daher ist fraglich, ob unter allgemeinen Schadensersatzgesichtspunkten auch die vorangegangenen Prozesskosten im Rahmen von § 426 BGB erstattungsfähig sind.

Die Rechtsprechung des BGH ist zurückhaltend. Im Urteil vom 26.06.2003 – VII ZR 126/02 nimmt der Senat ausdrücklich Bezug auf den in Rechtsprechung und Literatur anerkannten Grundsatz, dass einem klageweise in Anspruch genommenen Gesamtschuldner kein Anspruch auf Ausgleich der Prozesskosten oder der Kosten für ein Privatgutachten eines Sachverständigen zustehe (vgl. auch BGH, Urteil vom 16. Februar 1971 – VI ZR 150/69, NJW 1971, 884, 885). Er begründet dies damit, dass jeder Gesamtschuldner nämlich mit der Inanspruchnahme auf das Ganze rechnen muss. Es sei ihm daher selbst anzulasten, wenn er den Gläubiger nicht streitlos stellt, indem er ihn kostenneutral befriedigt. Mit anderen Worten sei es allein die Entscheidung eines Gesamtschuldners, ob er einen Vorprozess mit dem damit verbundenen Prozesskostenrisiko führt oder nicht.

In besonderen Konstellationen hält die obergerichtliche Rechtsprechung Prozesskosten teilweise für erstattungsfähig (z.B. OLG Dresden, Urteil vom 19.07.2007 – 10 U 1904/06 oder OLG München Urteil vom 03.01.2013 – 9 U 2596/11 („aussichtsloser Vorprozess“, entgegen OLG München Urteil vom 21.03.2009 – 13 U 4900/07). Diese Frage dürfte in den Konstellationen, in denen ein planender Architekt und ein bauausführendes Unternehmen Gesamtschuldner sind, mit der Einführung des § 650 t BGB seit 01.01.2018 an Bedeutung gewinnen, da dem Unternehmer erst eine Frist zur Mangelbeseitigung zu setzen ist, bevor er den Architekten in Anspruch nimmt.

Unser Praxistipp

Grundsätzlich ist das Führen eines Vorprozesses mit entsprechenden Prozesskosten dem eigenen Lebensrisiko zuzuordnen. Nur wenn Anhaltspunkte vorliegen, dass der andere Gesamtschuldner diesen Vorprozess schuldhaft – etwa durch falsche Angaben oder schuldhafter Verweigerung o.ä. – mitverursacht hat, ist er auch kausal für die Prozesskosten in Höhe seiner Haftungsquote zu beteiligen.

Rechtsanwalt Dr. Stefan Taube, Bonn – Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht