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Aufrechnung in der Insolvenz, Wettlauf der Fälligkeiten

Oft entsteht die Situation, dass der Insolvenzverwalter eines in die Insolvenz gefallenen Bauunternehmens gegenüber dem Auftraggeber Werklohnansprüche geltend macht.

Zu beachten ist nun, wie auch die jüngste Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden zeigt, der § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO. Dieser schließt die Aufrechnung des Insolvenzgläubigers mit einem während des Insolvenzverfahrens fällig gewordenen Schadensersatzanspruchs dann aus, wenn der Werklohnanspruch vorher fällig geworden ist, aber der Eigenanspruch beispielsweise nicht aus einem Leistungsverweigerungsrecht des Insolvenzgläubigers und Auftraggebers stammt, der demselben Vertragsverhältnis entsprungen ist.

Für eine Aufrechnung kommt es dann, wenn es sich um ganz verschiedene Vertragsverhältnisse handelt, aus denen die Ansprüche erwachsen sind, die miteinander verrechnet werden sollen, darauf an, wann der jeweilige Anspruch fällig geworden ist. Wird der Werklohnanspruch aus dem einen Bauvorhaben fällig, bevor die Schadensersatzforderung aus einem anderen Bauvorhaben fällig ist, kann § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO zur Geltung kommen. In diesem Fall ist die Aufrechnung ausgeschlossen. Ganz anders liegt der Fall, wenn in ein und demselben Bauvorhaben sich Ansprüche gegenüber stehen. In diesem Fall wird davon ausgegangen, dass auch der erst später fällig gewordene Ersatzanspruch noch mit dem Werklohnanspruch verrechnet werden kann.

Unser Praxistipp

Wird der von einem Auftraggeber beauftragte Auftragnehmer insolvent und wurde dieser Auftragnehmer mit unterschiedlichen Arbeiten (unterschiedlichen Verträge) zu unterschiedlichen Objekten beauftragt, ist darauf zu achten, dass die Schadensersatzansprüche möglichst schnell fällig gestellt werden, um eine Aufrechnung zu ermöglichen.

Handelt es sich dagegen um Ansprüche, die aus ein und demselben Bauvertrag herrühren, ist zu prüfen, inwieweit sich die Forderungen aufrechenbar gegenüberstehen, damit frühzeitig eine gerichtliche Inanspruchnahme durch den Insolvenzverwalter seitens des Auftraggebers vermieden werden kann. Zu letzterem ist es zweckdienlich, dem Insolvenzverwalter möglichst umfangreiches Material zur Verfügung zu stellen, aus dem dieser prüfen kann, ob ein Werklohnanspruch besteht und inwieweit Gegenansprüche bestehen.

Rechtsanwalt Michael Brückner, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht