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Maßgeblicher Zeitpunkt für Mängel

Immer wieder wird in Verfahren für das Vorhandensein eines Mangels auf den aktuellen Zustand verwiesen. Hierbei wird übersehen, dass dieser unter Umständen gar nicht maßgeblich ist.

Für die Beurteilung der Mangelhaftigkeit eines Werkes kommt es ausschließlich auf den Zustand zum Zeitpunkt der Abnahme an. Auch die Verletzung von Prüf- und Hinweispflichten allein kann keine Mängelhaftung begründen. Dem lag folgender Fall zugrunde:

Der Auftraggeber beauftragte den Unternehmer mit Fliesenarbeiten an den Bädern von 2 Studentenheimen. Nach Fertigstellung und Abnahme der Arbeiten im Jahr 2003 stellte der Auftraggeber im Jahre 2007 fest, dass die Fugen nicht die erforderliche Konsistenz aufwiesen. Es kam zu ersten Feuchteschäden, insbesondere im Bereich der Nasszellen. Dort brachen Fugen teilweise in Gänze heraus.

Der Auftraggeber behauptete, der Unternehmer habe die Fugen mangelhaft hergestellt. Zur Beseitigung sei es erforderlich, die Boden- und Wandflächen im Bereich der Duschen zu überfliesen. Der Unternehmer verwies auf eine unsachgemäße Reinigung der Fliesen durch ein Reinigungsunternehmen. LG und OLG verurteilten den Unternehmer. Sie ließen offen, ob der Zustand der Fugen auf einer unzureichenden Herstellung, ein ungeeignetes Fugenmaterial oder einer unsachgemäßen Reinigung beruhe. In jedem Fall sei der Unternehmer verantwortlich. Er sei verpflichtet gewesen, auf eine Reinigung mit geeigneten Mitteln hinzuweisen.

Der BGH hob die Urteile auf und verwies zurück. In dem jetzigen Zustand der Fugen, die Schadstellen aufweisen und jedenfalls teilweise zerstört sind, liegt nach Ansicht des BGH noch kein Mangel des Werks. Das Berufungsgericht hatte übersehen, dass es für die Beurteilung, ob ein Werk mangelhaft ist, grundsätzlich auf den Zeitpunkt der Abnahme ankommt und dass die festgestellten Beschädigungen der Fugen erst später vorlagen. Mit einem nach einer durchgeführten Abnahme eingetretenen Zustand kann die Mangelhaftigkeit eines Werks allein nicht begründet werden.

Verfehlt sind auch die Erwägungen des Berufungsgerichts zu einer Hinweispflicht des Unternehmers Bei diese geht es nicht darum, wie ein späterer Schaden abgewendet werden kann. Vielmehr geht es darum, darauf hinzuweisen, dass der Unternehmer so wie beabsichtigt oder mit der vorgefundenen Situation kein mangelfreies Werk erstellen kann. Nur hierauf beziehen sich auch die vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Urteile des Bundesgerichtshofs, wonach diese Hinweispflicht auch gegenüber einem fachkundigen Besteller bestehen kann, weil auch er auf ein größeres Fachwissen des Unternehmers vertrauen darf.

Dem OLG wurde die Klärung auferlegt, ob die Fliesenarbeiten tatsächlich mangelhaft waren. Das ist der Fall, wenn die Fugen unzureichend hergestellt wären. Ein Mangel kommt nach Ansicht des BGH auch in Betracht, wenn die nach dem Vertrag geschuldete Funktionalität auch umfassen würde, dass die Fliesen auf eine bestimmte Art oder mit bestimmten Mitteln gereinigt werden können, ohne Schaden zu nehmen, und diese nicht erreicht sein sollte. (BGH, Urteil vom 25. Februar 2016 – VII ZR 210/13)

Franz M. Große-Wilde, Bonn, Rechtsanwalt und Fachanwealt für Bau- und Architektenrecht