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Reichweite einer Mangelrüge

Ein Mangel ist ausreichend bezeichnet, wenn alle Ursachen für das bezeichnete Symptom von der Mangelrüge erfasst sind. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 24.08.2016 noch einmal verdeutlicht, dass nach der von ihm aufgestellten Symptomtheorie die Darstellung der Symptome eines Mangels ausreichend ist.

Hierbei hat das Gericht verdeutlicht, dass es ausreicht, wenn der Mangel nur an einigen Stellen zutage getreten ist. Auch dann, wenn nur diese Stellen gerügt werden, erfasst die Mangelrüge die komplette Ursache. Wenn die Mangelursache also in Wahrheit das ganze Gebäude erfasst, liegt eine ausreichende Mangelrüge auch aller übrigen Bauelemente vor. Wird also die Undichtigkeit der weißen Wanne in der Tiefgarage 1 gerügt, erfasst die Mangelrüge auch die gleichen Ursachen der Tiefgarage 2 und damit alle Undichtigkeiten der weißen Wanne.

Einmal mehr bestätigt der Bundesgerichtshof damit, dass die Reichweite der Mangelrüge nicht örtlich beschränkt ist.

Im diesem Zusammenhang ist auch auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm mit Urteil vom 17.07.2008 hinzuweisen. In dem von dem Oberlandesgericht Hamm entschiedenen Fall ging es ebenfalls um die Reichweite einer Mangelrüge, und zwar bezogen auf die fehlerhafte Materialzusammensetzung sowie unzulänglichen Dicke einer Gussasphaltschicht. Diese war bezogen auf ein Teilstück von 485 m gerügt worden. Insgesamt ging es aber um einen Streckenabschnitt von 5 km. Die gleichwohl eigentlich auf eine Fläche bzw. ein Teilstück von 485 m bezogene Mangelrüge erstreckte sich nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm unter Anwendung der Symptomtheorie auch auf die angrenzenden Bereiche, in denen sich die Mangelerscheinungen noch nicht gezeigt hatten und erfasste damit die gesamte Baumaßnahme von einer Länge von 5 km.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat auch Auswirkungen auf den Umfang der Hemmung der Verjährung durch eine Klage (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB), auf das selbständige Beweisverfahren (§ 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB) sowie auf das Verhandeln (§ 203 BGB). Je nach Reichweite der Mangelrüge und Bezeichnung des Mangels durch den Auftraggeber ist die Verjährung entsprechend umfangreich gehemmt.

Unser Praxistipp:

  • Der Auftraggeber ist gut darin beraten, den Mangel so exakt wie möglich und so exakt wie nötig, bezogen auf das Mangelsymptom, zu beschreiben und zu rügen.
  • Gerade im VOB-Vertrag führt die erstmalige schriftliche Mangelrüge innerhalb der Gewährleistungsfrist nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B dazu, dass die Mangelansprüche für diesen Mangel frühestens zwei Jahre ab Zugang der Mangelrüge beim Auftragnehmer verjähren. In allen Verträgen, in die die VOB/B wirksam einbezogen worden ist, kommt daher einer entsprechend ordnungsgemäßen Mangelrüge noch größere Bedeutung zu.
  • Vorsicht ist beim Abschluss von Vergleichen oder bei einer Vereinbarung über die Verlängerung der Gewährleistungsfrist, insbesondere nach § 13 Abs. 5 Nr. 1 S. 2 VOB/B geboten. Denn je nachdem, wie die Vergleiche abgeschlossen werden oder entsprechende Vereinbarungen zur Verlängerung der Gewährleistungsfrist getroffen werden, kann ein Mangel nicht mehr geltend gemacht werden, der eigentlich nach der Symptomtheorie des Bundesgerichtshofs noch geltend gemacht werden könnte.

Rechtsanwalt Michael Brückner, Mechernich, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht