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Kostenvorstellungen als Bausummengarantie

Erteilt ein Investor einem Architekten den Auftrag über alle Leistungsphasen der HOAI und lässt sich vor Baubeginn Kostenzusammenstellungen geben, die die Gebäudeerrichtungskosten ausweisen, kann hierdurch eine Kostenobergrenze vereinbart werden.

Das Oberlandesgericht Oldenburg hatte mit Urteil vom 07.08.2018 einen Fall zu entscheiden, in dem genau dies passiert war. Der Architekt hatte Kostenzusammenstellungen abgegeben, aus denen sich ergab, dass der Komplex für 10,5 Mio. Euro errichtet werden könnte. Tatsächlich kostete die Errichtung 1,7 Mio. Euro mehr. Zuzüglich Umfinanzierungskosten von weiteren 430.000 Euro verlangte der Investor schließlich vom Architekten Schadensersatz in Höhe von 2,1 Mio. Euro. Das Oberlandesgericht Oldenburg stellte in seiner Entscheidung heraus, dass es durchaus sein könne, dass solche Kostenzusammenstellungen dazu führen, dass eine Kostenobergrenze als Beschaffenheitsvereinbarung auch nach Abschluss des Architektenvertrages zwischen den Parteien vereinbart worden wäre. Dabei stellte das Oberlandesgericht Oldenburg heraus, dass die bloße Entgegennahme von Kostenzusammenstellungen durch den Bauherrn als solches noch nicht ausreichend sei. Die Entgegennahme selbst kann nicht dahingehend ausgelegt werden, dass damit automatisch eine Obergrenze vereinbart wird. Wenn aber, so das Oberlandesgericht, im Zusammenhang mit der Übergabe der Kostenzusammenstellung vom Bauherrn die Erklärung abgegeben wird, mit der dieser zum Ausdruck bringt, dass ein bestimmter Maximalbetrag nicht überschritten werden kann, ist es möglich, dass eine solche Beschaffenheitsvereinbarung vereinbart wird.

Die Entscheidung zeigt, dass Architekturbüros und Ingenieurbüros bei der Übergabe von Kostenzusammenstellungen an den Bauherrn gut beraten sind, im Rahmen der Übergabe klar und eindeutig zum Ausdruck zu bringen, inwieweit sie damit eine Bausummengarantie abgeben wollen oder eine Beschaffenheitsvereinbarung dahingehend abschließen, dass eine bestimmte Kostenobergrenze einzuhalten ist. Grundsätzlich ist allerdings an der Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zu kritisieren, dass nicht mit der notwendigen Klarheit dem Einstandswillen des Architekten Rechnung getragen wird. Denn aus dem Verhalten des Architekten im Zusammenhang mit der Übergabe der Kostenzusammenstellung und im Zusammenhang mit der Reaktion des Investors/Bauherrn muss sich ergeben, dass der Architekt gerade für das Einhalten einer Kostenobergrenze einstehen möchte oder eine Bausummengarantie abgeben will.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch einseitige Kostenvorstellungen des Bauherrn zu einer Beschaffenheitsvereinbarung führen können, wenn ihnen der Architekt nicht widerspricht. Diese Kostenvorstellung muss der Bauherr noch nicht einmal nach der Rechtsprechung persönlich äußern. Vielmehr genügt es danach sogar, wenn von den im Aufklärungsgespräch mit dem Architekten beteiligten Familienmitgliedern beispielsweise geäußert wird oder vom Auftraggeber anderweitig unwidersprochen zum Ausdruck gebracht wird, dass bestimmte Kostenvorstellungen auch seine Vorstellungen sind. In diesem Zusammenhang bedarf es auch nicht etwa einer zumindest konkludenten Willenserklärung des Architekten als Annahme dieser einseitigen Bauherrenvorstellungen.

In diesem Zusammenhang ist auch § 650p Abs. 2 BGB als nicht unproblematisch zu sehen. Dies gilt, zumal eine Kosteneinschätzung im Zusammenhang mit der Planungsgrundlage erstellt werden soll. Nach den Auffassungen von Berger in Langen/Berger/Dauner/Lieb, Kommentar zum neuen Bauvertragsrecht, 1. Auflage 2018, § 650p, Rn. 116 ist diese erste Kosteneinschätzung keine Kostenschätzung gemäß DIN 278-1:2008-12. Dabei geht Berger davon aus, dass eine solche Kostenschätzung erst als Ergebnis der Vorplanung geschuldet ist. Berger vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass eine solche Kosteneinschätzung damit zwangsläufig in ganz erheblichem Maße prognostisch ist.

Daraus wäre abzuleiten, dass eine solche Kosteneinschätzung jedenfalls nicht dazu führen kann, dass eine Beschaffenheitsvereinbarung in Form einer Kostenobergrenze auf Basis der Kosteneinschätzung erfolgt. Aber auch dies ist zweifelhaft und dürfte sich im Rahmen der Rechtsprechung noch herausstellen.

Dies gilt, zumal diejenigen, die sich schon als Kommentatoren mit der Vorschrift beschäftigt haben, auch zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Preussler in Leinemann/Kues, BGB-Bauvertragsrecht, 1. Auflage 2018, § 650p BGB, Rn. 20 erklärt, dass die Kosteneinschätzung in dem Stadium zwar keine Kostenschätzung der Leistungsphase 2 sein soll, man allerdings durchaus in diesem Vorstadium der Planung von einem Kostenrahmen sprechen kann, der nicht als eine konkrete Bausumme, sondern aus Rahmenwerten Von-Bis besteht.

Auch Dammert in Dammert/Lenkeit/Oberhauser/Pause/Stretz, Das neue Bauvertragsrecht 2017, 1. Auflage, geht in § 4 Rn. 45 ff. davon aus, dass die Kosteneinschätzung nicht einer Kostenschätzung nach DIN 276 entspricht. Diese soll auch nach Dammert erst in der Leistungsphase 2 zu erstellen sein. Aber auch Dammert geht davon aus, dass die Kosteneinschätzung bedeutet, dass letzten Endes ein regelmäßig hinreichend eingegrenzter Kostenrahmen für eine solche Kosteneinschätzung ausreichend sein soll. Darin soll dann auch keine einzuhaltende Kostenobergrenze zu sehen sein.

Busche in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Schuldrecht, besonderer Teil III/1, 7. Auflage 2018, erklärt in § 650p BGB, Rn. 12 ebenfalls, dass die Kosteneinschätzung keine Kostenschätzung ist, äußert sich aber nicht dazu, ob eine solche Kosteneinschätzung als ganz grober Kostenrahmen zu sehen ist.

Zahn erklärt in Kniffka, Bauvertragsrecht, 3. Auflage 2018, § 650p Rn. 241 BGB, dass die Kosteneinschätzung näher bei der Kostenschätzung der Leistungsphase 2, Anlage 10 zur HOAI 2013 angesiedelt ist. Der einzige Unterschied bestehe darin, dass die Kostenschätzung höhere formelle Anforderungen habe. Zahn weist weiter darauf hin, dass eine Kostenschätzung gleichzeitig die Erfordernisse der Kosteneinschätzung erfüllt, weil diese sogar über die begriffliche Kosteneinschätzung hinausgeht. Dass es sich bei der Kosteneinschätzung um einen Kostenrahmen handelt, der grob einzuhalten sei, wird von Zahn abgelehnt, weil zu diesem sehr frühen Zeitpunkt eigentlich keine Planungsgrundlagen dafür vorhanden sind, um einen entsprechenden Kostenrahmen zu rechtfertigen.

In Messerschmidt/Voit, Privates Baurecht, 3. Auflage 2018 erklärt Schwenker/Wessel zu § 650p BGB Rn. 22, dass auch ihrer Meinung nach die Kosteneinschätzung nicht einer Kostenschätzung nach DIN 276 entspricht. Allerdings erklären sie auch, dass die Kosteneinschätzung dann, wenn sie dem Gesetz entsprechen will, belastbar sein müsse, also nach Maßgabe einer Planungsgrundlage zu erstellen wäre.

Dementsprechend vertritt der Unterzeichner die Auffassung, dass die Kosteneinschätzung näher bei der Kostenschätzung liegt, zumal eine solche überhaupt erst erstellt werden kann, wenn zumindest die Grundlagen ermittelt wurden und eine Vorplanung bis zu einem gewissen Grad stattgefunden hat. Anderenfalls lassen sich überhaupt keine seriösen und belastbaren Kosteneinschätzungen abgeben.

Unser Praxistipp

Im Zusammenhang mit dem Abschluss der Architektenverträge ist darauf zu achten, dass die Zielfindungsphase genau geregelt wird. Mangels anderweitiger Alternativen ist näher zu definieren, welche Qualität eine Kosteneinschätzung hat.

Generell sollten Planer aber immer, wie die vorgenannte Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zeigt, einseitigen Kostenvorstellungen der Auftraggeber widersprechen, wenn sie diese nicht mittragen wollen und bei der Übergabe von Kosteneinschätzungen oder anderen ähnlichen Dokumenten immer klarstellen, dass sie insoweit nicht für die Einhaltung einer Kostenobergrenze einstehen wollen oder eine Bausummengarantie abgeben.

Rechtsanwalt Michael Brückner, Mechernich, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht