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Kein Angebotsausschluss aufgrund Ausschreibungsunterlagen, die objektiv mehrdeutig sind

Hat die Vergabestelle selbst die Ursache für unvollständige Angebote gesetzt, indem ihr eine objektive Mehrdeutigkeit in den Ausschreibungsunterlagen unterlaufen ist, können die dann darauf basierenden Angebote nicht von ihr ausgeschlossen werden.

Dies hat das Oberlandesgericht Saarbrücken mit Beschluss vom 30.07.2007 entschieden. Das Oberlandesgericht Saarbrücken hat dabei klargestellt, dass die hohen formalen Anforderungen im Vergabeverfahren nicht nur für den Bieter, sondern auch für die Vergabestelle gelten. Insbesondere muss die Vergabestelle eindeutig bestimmen, welche Erklärungen sie schon bei Vorlage des Angebots ausgefüllt vom Bieter verlangt und der Bieter daher verpflichtet ist, diese einzureichen, um einem Ausschluss des Angebots entgegen zu wirken. Erklärt sich die Vergabestelle hierzu nicht, kann dies dann, wie in dem vom Oberlandesgericht Saarbrücken entschiedenen Fall, dazu führen, dass ein Angebotsausschluss unterbleiben muss.

Unser Praxistipp

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Saarbrücken verdeutlicht, welche hohen Anforderungen nicht nur an den Bieter, sondern auch an die Vergabestelle bei Erstellung der Ausschreibungsunterlagen gestellt werden.

Es ist daher im Einzelfall zu prüfen, ob gegebenenfalls die Vergabestelle sämtliche Aspekte berücksichtigt und sie sich insbesondere zu den vorzulegenden Unterlagen eindeutig erklärt hat.

Eine solche Einzelfallprüfung kann im Nachprüfungsverfahren erfolgen, in dem Akteneinsicht in die Vergabeakten gewährt werden muss, die dann dazu beiträgt, neben den Ausschreibungsunterlagen, die der Bieter erhalten hat, zu klären, ob die Vergabestelle eindeutig zur Abgabe der entsprechenden Erklärungen aufgefordert hat.

Rechtsanwalt Michael Brückner, Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Nov. 2007